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Taken from FOCUS Online (Aug 24, 2008)

Michael Franti: "Die Welt hat ein neues Amerika verdient"

US-Musiker Michael Franti über Barack Obama und Bob Dylans Chancen, eine Casting-Show zu gewinnen.

Von FOCUS-Redakteurin Anna Starke


Michael Franti
Musiker Michael Franti (barfuß mit
Gitarre) und seine Spearheads
FOCUS Online: Das Album „All Rebel Rockers“ haben Sie in Jamaika aufgenommen. Wie hat das den Sound beeinflusst?


Michael Franti: In Jamaika entsteht Musik in einem demokratischen Prozess; die Studiotüren sind weit geöffnet und nicht abgeriegelt und gesichert wie in Europa. Die Menschen kommen von der Straße ins Studio und fangen an zu tanzen. In der Ecke steht ein Kerl mit Sonnenbrille, zieht an einem Joint und nickt im Takt. Er sagt: „Hey Mann, in der zweiten Strophe brauchst Du eine andere Gitarre.“ Du sagst: „Wer zur Hölle bist du?!“ Dann probierst Du es aus und denkst: „Er hat Recht!“


FOCUS Online: „They tell you that war is a permanent thing/And that American Idol singers can really sing“ ist eine Zeile in einem Ihrer neuen Songs ...


Franti: Weil keiner meiner Helden jemals „American Idol“ gewonnen hätte. Oder kann sich jemand Bob Dylan bei „American Idol“ vorstellen? Die Jury würde sagen: „Der Nächste, bitte!“ George Clinton bei American Idol? „Der Nächste, bitte!!“ Selbst Bob Marley! Die Jury wäre sich einig: „Wir verstehen kein Wort, runter von der Bühne!!!“


FOCUS Online: Haben unangepasste Musiker heute keine Chance mehr?


Franti: Es ist eine Formel geworden: Man nimmt ein hübsches Gesicht, eine liebliche Stimme, jemand schreibt einen Song und produziert eingängige Beats. Man macht ein paar hübsche Fotos, ein Video und hofft, dass es funktioniert. Aber es gibt auch neue, wirklich erstaunliche Entwicklungen: Durch das Internet sind Plattenverkäufe eingebrochen, aber auf einem iPod kann man Dreißigtausend Stücke speichern. So kommen richtig gute Sachen an die Oberfläche.


FOCUS Online: Ihre Texte sind sehr politisch. Was möchten Sie bewegen?


Franti: Ich möchte Menschen inspirieren. Keiner soll das Gefühl haben, dass er mit dem, was er denkt oder fühlt, etwas falsch macht, oder den Eindruck bekommen, dass die Welt ein hoffnungsloser Ort ist. In meinem Song „Hey World“ singe ich deshalb „Don’t give up on me/And I won’t give up on you“. Ich sage der Welt: Ich werde versuchen mein Bestes zu geben, auch wenn es nicht einfach ist.


FOCUS Online: Früher waren Sie pessimistischer. Was ist passiert?


Franti: Ich habe realisiert, dass es nicht genug ist, Probleme zu erkennen. In den frühen 90er-Jahren schrieb ich Songs darüber, wie schlimm US-amerikanische Gefängnisse sind. 1993 trat ich zum ersten Mal in einem auf und etwas Wundervolles passierte: Ich fühlte mich besser. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas getan hatte, um die Situation zu verbessern. Als ich ging sagte der Aufseher, er habe noch nie einen so friedlichen Tag erlebt. Seitdem habe ich in vielen Gefängnissen in Amerika gespielt, auch im Folsom Prison, als erster Musiker seit Johnny Cash.


FOCUS Online: Wie unterscheidet sich ein eingesperrtes von einem freien Publikum?


Franti: Das erste, was man sieht, wenn man in einen Raum kommt, ist die Uniform der Menschen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es die Uniform eines Hippies, eines Gefangenen oder die eines israelischen Soldaten ist. Sobald ich singe, sehe ich nur noch die Augen und das Lächeln der Menschen. Sie tanzen, lachen und feiern. Das wundervolle an Musik ist, dass es jeden in den Moment bringt. Man macht sich keine Sorgen darüber, was gestern war oder was morgen sein wird.


FOCUS Online: Im Jahr 2004 sind Sie in den Irak geflogen und haben einen Dokumentarfilm über die menschlichen Auswirkungen des Krieges gedreht. Wie haben Menschen in den USA darauf reagiert?


Franti: Auf meinen Konzerten habe ich erzählt, dass ich im Irak Kinder besucht habe, deren Arme und Beine von Bomben zerfetzt waren und von Familien, die elf Tage im Keller verbracht haben, während die USA sie bombardierten. Mein Publikum hat mich ausgebuht. Damals unterstützten 80 Prozent des Landes den Krieg – heute sind es nur noch 20 Prozent.


FOCUS Online: Was hat Sie dazu gebracht ins Kriegsgebiet zu fliegen?


Franti: Ich saß im Tourbus und habe die Fernsehnachrichten gesehen. Politiker sprachen von Bunkerbomben, die bis zu fünf unterirdische Etagen in die Luft jagen konnten. Gleichzeitig behaupteten sie, dass in diesem Krieg niemand verletzt wird. Ich konnte das nicht glauben. Ein Freund sagte: „Warum fährst Du nicht hin und findest es heraus?“ Ich sagte: „Warum eigentlich nicht.“


FOCUS Online: Bestimmt unterstützen Sie Barack Obama.


Franti: Ich unterstütze Ideen. Und ganz besonders die, unsere Truppen und unsere Steuergelder schnellstmöglich nach Hause zu bringen. Ich habe McCain nicht sagen hören, dass er das vorhat. Barack verkörpert für den Rest der Welt ein neues Amerika – und sowohl der Rest der Welt als auch die USA haben ein neues Amerika verdient.


FOCUS Online: Last but not least: Warum tragen Sie niemals Schuhe?


Franti: Vor acht Jahren war ich in Neuseeland mit den Maoris im Dschungel. Sie trugen keine Schuhe, ich habe versucht barfuß zu laufen und es hat wehgetan. Zu Hause in San Francisco wollte ich es drei Tage lang ausprobieren – aus drei Tagen wurden acht Jahre. Es war nie eine politische Äußerung oder ein Protest, aber ich habe viel dadurch gelernt. Vor allen Dingen, dass ich immer aufpassen muss, wo ich hintrete.


ZUR PERSONMichael Franti ist ein afrikanisch-amerikanischer Musiker und Lyriker. Der 42-jährige gründete die Band Michael Franti & Spearhead, die Hip-Hop mit Reggae und zahlreichen anderen Musikstilen kombiniert. Die Texte des Kaliforniers setzen sich mit der amerikanischen Wirklichkeit, mit Armut, Justiz, Ernährung und dem Weltfrieden auseinander.

 
 

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